Heute vor genau einem Jahr wurden neun junge Menschen bei einem rassistischen Terroranschlag in Hanau getötet. Heute gedenken wir der Opfer dieses grausamen Verbrechens. Ihren Familien und Freunden versprechen wir, uns an jedem Tag aufs Neue gegen Rassismus, Hass und Ausgrenzung einzusetzen. Zum Jahrestag des Attentats von Hanau erklärt Frank Müller MdL, Vorsitzender der SPD Essen:
„Aus Worten werden Taten, aus Hass wird Gewalt – das hat uns das Attentat von Hanau am 19. Februar 2020 auf grausamste Art vor Augen geführt. Neun junge Menschen wurden ermordet, weil ein Rassist sie als Feind, als Bedrohung und als „anders“ angesehen hat. Die Tat von Hanau reiht sich ein in eine lange Liste rassistischer Anschläge in unserem Land – von Solingen über Köln, die Mordserie des NSU bis hin zu Halle und Kassel. Der Hanauer Täter hatte, lange bevor er zum Mörder wurde, seine menschenfeindlichen Theorien im Netz verbreitet – wo sie auf fruchtbaren Boden fielen. Das eint ihn mit anderen rassistischen Tätern, von Utoya über Kassel bis Halle. Und es zeigt uns: Das Gift des Rassismus existiert auch in unserer Mitte und vor unserer Haustür. Wir sind es nicht nur den Opfern und Hinterbliebenen schuldig, uns an jedem Tag gegen rassistischen Hass und Ausgrenzung einzusetzen. Wir sind es auch den zahlreichen Menschen in unserem Land und unserer Stadt schuldig, denen gesagt wird: „Ihr gehört nicht dazu.“
Denn auch bei uns in Essen verstärken sich seit einigen Jahren die Tendenzen, ganze Menschengruppen zu Sündenböcken oder gar zu Feinden zu machen. Die Flüchtlingssituation von 2015 sorgte für emotionale Auseinandersetzungen voller gegenseitiger Vorwürfe und ja, auch für Spannungen und Belastungen. Es ist daher gut und richtig, dass die Stadt im vergangenen Jahr das Programm „Zusammenleben in Vielfalt“ aufgelegt hat. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass da mehr gehen könnte und auch müsste. Zu oft scheint man an der Stadtspitze erstmal zu schauen, ob es auch gerade politisch opportun ist, sich gegen Rassismus einzusetzen. Ab und zu lässt man es dann lieber sein, weil einem die Mitstreiter*innen nicht in den Kram passen. Diese Zurückhaltung, dieses Zaudern spielt jedoch genau denen in die Karten, die Hass verbreiten und den Boden für neue Gewalt ebnen. Hier fordere ich mehr Mut, Konsequenz und auch Lautstärke der Stadtspitze beim Einsatz gegen rechtsradikale Umtriebe in unserer Stadt.
Hanau war ein gezielter Anschlag auf Orte migrantischen Lebens. Auch in Essen stehen diese Orte unter Druck, werden pauschal zu Horten der Kriminalität oder gar zu „No-Go-Areas“ stilisiert. Als Mehrheitsgesellschaft sind wir gefordert, keine Pauschalurteile, Stigmatisierungen oder gar Sippenhaft zuzulassen. Und es darf die Frage gestellt werden, ob die Aufmerksamkeit, der Aktionismus und die Empörung genauso groß gewesen wären, wenn an Silvester Sven, Holger und Klaus randaliert hätten.
Das Ruhrgebiet nimmt für sich selbst in Anspruch, seit jeher ein Schmelztiegel gewesen zu sein. Bei den Kumpels hat man seinem Nebenmann das eigene Leben anvertraut – ganz egal wo er herkam. An diese Tradition gilt es heute mehr denn je anzuknüpfen, um wieder das Gute ineinander zu erkennen. Das kann nur bedeuten, mehr Räume für Austausch und Dialog zu schaffen, die Ängste abbauen und das Verständnis füreinander stärken.
Gleichzeitig dürfen wir den Menschen, die voller Sorge sind und deren Alltag in den letzten Jahren nicht besser, sondern immer komplizierter und schwerer geworden ist, nicht von Oben herab begegnen. Am Beginn von Wut und Hass stehen meist Enttäuschung und Hilflosigkeit angesichts großer Probleme. Diese Probleme existieren in unserer Stadt ohne jeden Zweifel, sie sind real und lassen sich nicht allein mit Zuhören lösen. Sie brauchen Lösungen. Die Spaltung unserer Stadt befördert die Spaltung unter uns. Sie zu überwinden muss unser oberstes Ziel sein.
Denn nur dann können wir uns gegenseitig stark machen. Für ein echtes Zusammenleben in Vielfalt, Akzeptanz und Respekt. Nicht erst seit Hanau müssen wir entschlossen sagen: Es ist an der Zeit.“
Wir gedenken der Opfer des rassistischen Terroranschlags von Hanau.
• Gökhan Gültekin, 37
• Sedat Gürbüz, 30
• Said Nesar Hashemi, 21
• Mercedes Kierpacz, 35
• Hamza Kurtović, 22
• Vili Viorel Păun, 23
• Fatih Saraçoğlu, 34
• Ferhat Unvar, 22
• Kaloyan Velkov, 33